Ein wilder Tartan Noir
Die Bestsellerautorin Mina Williams traf sich gestern Abend an einer Hotelbar mit dem Golfstar Matthew Barnes, in dessen Domizil man sich anschließend zurückzog. Danach nichts mehr. Keine Erinnerung. Sie erwacht nackt neben der Leiche des ermordeten Matt und ist wenig später die Hauptverdächtige für Chief Inspector Brady. Das Anwesen gehört Lord Darney, schwerreicher Verleger und Inhaber zahlreicher schottischer Zeitungen, dessen Sohn Cedric das Nachbarhaus von Matt bewohnt. Der Student lebt dort mit seinen Bekannten Pete und Doug sowie seit zwei Wochen mit der rumänischen Au-pair Pepa, die kurz nach dem Mord verschwindet.
Mina leitet einen Kurs an der Universität von St. Andrews und betreut dort Cedrics Abschlussarbeit. Beide finden schnell heraus, dass sie im Mittelpunkt der Ereignisse stehen und selber in höchste Gefahr geraten. Mina beobachtete kurz nach ihrem Erwachen, dass der Polizeiarzt McCallum am Tatort den Ehering seiner Frau heimlich einsteckte. Dies kann sie Brady jedoch schlecht sagen, denn anscheinend hatte sie selber Verkehr mit Matt und Eifersucht war schon immer ein starkes Motiv. Ähnlich geht es Cedric mit Pepas Verschwinden. Er entdeckt eine Internetseite, in denen junge Menschen als Au-pair angeboten werden. Allerdings geht es hierbei offensichtlich um Menschenhandel mit Minderjährigen und Cedric hat Grund zu der Annahme, dass sein Vater, der ehrenwerte Lord, dabei seine Finger im Spiel hat. Aber wem können Mina und Cedric vertrauen? Brady jedenfalls nicht.
Überarbeitete Neuauflage unter neuem Titel
„Das falsche Leben“ erschien als überarbeitete Neuauflage 2022 bei Suhrkamp (dort angegebener Umfang 390 Seiten). Der vorliegenden Rezension liegt jedoch die Originalausgabe aus dem September 2008 zugrunde, die unter dem Titel „Wenn es dämmert“ bei Bastei Lübbe erschienen ist (rund 300 Seiten). Da letztere aber nicht mehr auf der Verlagsseite gelistet ist, beziehen sich die untenstehenden Angaben auf die lieferbare Neuauflage von Suhrkamp. Aber nun genug der Verwirrung.
Zoe Beck startet ihre Schottland-Krimi-Reihe mit „Wenn es dämmert / Das falsche Leben“, wobei die Reihe insgesamt vier Titel umfasst. Es handelt sich um in der Gegenwart spielende Krimis, was erwähnenswert ist, da die Autorin jüngst mit einem Genremix aus Krimi und Science-Fiction punkten konnte (u. a. „Memoria“, „Paradise City“). Der Auftakt der Schottlandkrimis beginnt in St. Andrews und so ist es nahezu unvermeidbar, dass der erste Tote ein Golfspieler ist. Was folgt ist ein wilder Ritt, der besonders Freunde actionreicher Plots begeistern wird.
Weitere Verbrechen und Todesfälle geschehen, die beiden Protagonisten immer mittendrin, und dazu eine Story, in denen die Grenzen zwischen Gut und Böse arg verschwommen sind. Kaum eine Figur, die nicht Dreck am Stecken hat, sprich in kriminelle Handlungen verstrickt ist. Wie sich später alles auflöst, entpuppt sich als halsbrecherische Achterbahnfahrt, in der nicht immer die Gurte festsitzen. Neben St. Andrews spielt die Geschichte vor allem in Edinburgh und dessen dunkelsten Ecken, wo Prostitution und Menschenhandel mit Minderjährigen vorzufinden sind. Ein Duell der Bosse im Milieu droht außerdem.
Nicht nur Brady und Lord Darney sind – sagen wir vorsichtig – zwielichtige Gestalten. Neben vielen üblen Figuren sind selbst die Helden wider Willen kaum besser. Mina saß in einer psychiatrischen Klinik und Cedric hat Neurosen, darunter einen mehr als ausgeprägten Sauberkeitswahn. Sympathisch ist das alles nicht, allein die Polizistin Isobel Hepburn kommt einnehmend rüber. Düster und somit für einen Tartan Noir genau richtig, ist „Wenn es dämmert / Das falsche Leben“ kurzweilige Krimiaction, die dennoch Konzentration erfordert, angesichts von Minas undurchsichtiger Familiengeschichte. Und dann wäre da noch ein Vorfall, der im Jahr 1950 tödlich endete. Gute Genrekost. In diesem Sinne „Slàinte mhath“.
- Autorin: Zoe Beck
- Titel: Das falsche Leben
- Verlag: Bastei Lübbe
- Umfang: 390 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Februar 2022
- ISBN: 978-3-518-47198-2
- Produktseite
Wertung: 11/15 dpt
